Kleinste Ströme mit zwei Operationsverstärkern messen

Wie weniger als 700 Elektronen, die pro Sekunde durch einen Leitungsquerschnitt wandern, erfaßt werden können. Operationsverstärker bieten bekanntlich zahlreiche Möglichkeiten. Sie sind als Verstärker, Spannungsfolger, I/U-Wandler, Integrierer und vielem mehr verwendbar. Eine neue Entwicklung zeigt im folgenden, wie durch Verwendung einer einfachen Schaltungstechnik ein I/U-Wandler durch einen kleinen Regelkreis aus Operationsverstärkern ersetzt werden kann. Das Resultat ist ein recht schnelles und äußerst empfindliches Strommeßsystem, das Ströme bis in den Attoamperebereich (10–18 A) messen kann. Dieses neue Prinzip findet zunehmend sein Einsatzgebiet an Mikro- und Nanoelektroden in der Elektrochemie. Klassisch betrachtet, existieren zwei Methoden, bei dem der Strom mit Operationsverstärkern gemessen werden kann. Zum einen findet der I/U-Wandler (Strom-/Spannungswandler) im elektronischen Alltag wegen seines einfachen Aufbaus die häufigste Anwendung (Bild1). Dabei wird das Ausgangssignal U0 über einen Widerstand RR dem invertierendem Eingang vorgelegt. Dieses invertierte Ausgangssignal U0 ist so groß, daß es über den Widerstand R das Potential am invertierenden Eingang auf das virtuelle Masseniveau hält. Ist das erreicht, folgt daraus für den invertierenden und nicht-invertierenden Eingang eine Di fferenzspannung von Null Volt. Das Ausgangssignal ist konstant und der Strom leitet sich dementsprechend aus Gleichung 1 ab [1,2]. Alternativ zu dieser Schaltung läßt sich auch der Spannungsabfall an einem Lastwiderstand (Shunt) mit mehren nachgeschalteten Verstärkern bestimmen. Dabei wird der Shunt klein zum Innenwiderstand der Stromquelle gewählt, um eine möglichst geringe Spannungsteilung zu erhalten (Bild2). Bild 1. I/U-Wandler Bild 2. Der Spannungsabfall an einem Lastwiderstand

Die Grenzen der klassischen Schaltungen

Wird der Widerstand RShunt klein gewählt, ist der zu detektierende Spannungsabfall (Bild 2) sehr gering. Dieses schwache Signal muß mit seinem überlagerten Rauschen verstärkt werden. Um damit in kleinsten Strombereichen messen zu können, kann der erfahrene Praktiker schon erahnen, welche Leistungen seine die Verstärker und nachgeschalteten Filter erbringen müssen. Eine weitere Steigerung der Empfindlichkeit dieser Meßschaltung kann mit einem größeren Shunt erreicht werden. Der Spannungsabfall wird größer und ist somit leichter vom Verstärker zu erfassen. Doch diese einfache Ergänzung hat einen entscheidenen Haken. Je größer der Lastwiderstand gewählt wird, desto mehr gleicht er sich dem Innenwiderstand der Stromquelle an und verkleinert damit als Spannungsteiler die Potentialdifferenz zwischen US und UMesspunkt. Bild 3. Strommessungen mittels eines größeren Shunt mit Potentialnachführung Da diese Meßschaltung relativ einfach zu kalibrieren ist und auch häufig für kleine Ströme verwendet wird, bedient man sich einer Potentialnachführung [3]. Dabei wird das Potential UMesspunkt mittels eines Spannungsfolgers gegen die Masse des Meßsystems bestimmt und über einen Differenzverstärker dem Potential U0 addiert (Bild3). Zwischen U0 und UMesspunkt liegt dann wieder die geforderte Sollspannung vor. An dieser Stelle der Entwicklung angekommen, zählt man bis hierher bereits fünf Operationsverstärker, wobei etwaige Filterfunktionen noch nicht berücksichtigt sind. Dabei kann mit dieser Anordnung unter Verwendung guter Operationsverstärker der Strommeßbereich im oberen Femtoamperebereich erreicht werden.

Der reale Operationsverstärker...

Um mit einem I/U-Wandler in diesen Bereich zu gelangen, wird dem Widerstand RR häufig noch ein Spannungsteiler vorgesetzt, um große Widerstandswerte zu vermeiden. Doch schnell gelangt man, auch bei sehr guten Operationsverstärkern, die einen entsprechend hohen Eingangswiderstand aufweisen, in die Grenzbereiche. Die Eingangsströme des invertierenden Eingangs partizipieren für die kleiner werdenden Strombereiche zunehmend. Dabei kann nicht einmal genau festgestellt werden, wie groß der Eingangsstrom zum Zeitpunkt der Messung ist, da der Wert nicht konstant ist. Er ist abhängig von der Temperatur, der Versorgungsspannung und der Alterung des Operationsverstärkers. Die zweite Herausforderung für die Strommeßanordnung mit einem I/U-Wandler resultiert aus Transistor-Unsymmetrien. Werden die beiden Eingänge eines Differenz-Verstärkers auf dasselbe Potential gelegt (z.B. Null), so sollten im Idealfall gleiche Eingangsströme fließen. Aufgrund von Transistor-Ungleichheiten sind die beiden Ströme jedoch nicht gleich. Ihre Differenz wird als Offsetstrom IOS (Gleichung 2) bezeichnet (Bild 4). Bild 4. Modell zur Berücksichtigung der Eingangsströme eines Operationsverstärkers Über die Richtung des Offsetstromes bekommt man keine Information, da in den Datenblättern der Absolutbetrag von IOS angegeben wird. Aus diesem Grund müßte man für die geringen Ströme, die gemessen werden sollen, die Charakteristik der Eingangsströme und Offsetströme jedes Operationsverstärkers bestimmen und entsprechend für das Gerät kalibrieren.

Ein kleines Regelsystem als Lösung

Die beiden klassischen Systeme, die hier diskutiert wurden, haben eines gemeinsam. Das Potential an dem Meßpunkt in der Schaltung, an dem der Strom bestimmt werden soll, treibt es stets vom Massepotential in Richtung U0. Dementsprechend würde für ein Potential U0 am Meßpunkt kein Strom fließen. Hat der Meßpunkt hingegen Massepotential, ergibt sich der resultierende Strom aus der tatsächlich richtigen Spannung zwischen U0 und dem Meßpunkt. Deshalb kann der Strom auch definiert werden als ein Potential, das notwendig ist, um das Potential am Meßpunkt über einen Widerstand auf Masse zu halten (Bild 5). Bild 5 zeigt eine Schematische Darstellung eines potentialdetektierenden Teils und eines invertierenden Reglers, der solange sein Potential ändert, bis der potentialdetektierenden Teil kein Signal mehr liefert. Die dafür notwenigen Elemente liefern Operationsverstärkerschaltungen: Für den potentialdetektierenden Teil empfiehlt sich wegen seines extrem hohen Eingangswiderstands und dem sehr geringen Spannungsoffset die Verwendung eines Spannungsfolgers. Als zweite Komponente wird ein Regler gefordert, der das Signal des Spannungsfolgers invertiert und solange das Ausgangssignal ändert, bis das Eingangssignal Null ist. Dazu bietet sich ein invertierender Integrierer an, dessen Regelgeschwindigkeit durch RC-Glieder festgelegt werden kann (Bild 6). Bild 6. Mit der kapazitiven und ohmschen Größe kann die Geschwindigkeit des Integrierers geregelt werden. In der Elektrochemie sind häufig nur Stromänderungen relevant, so daß die Geschwindigkeit hierbei ausreichend hoch ist. Das Rauschen kann durch das RC-Glied minimiert werden. Wird der Widerstand oder die Kapazität erhöht, vermindert sich aber auch das Ansprechverhalten. Bild 7. Die vollständige Operationsverstärkerschaltung umfaßt zur Vermeidung sehr großer Widerstände noch einen oder zwei Spannungsteiler (ST1 und ST2). An dem nichtinvertierenden Eingang des Integrierers läßt sich der Gesamtoffset des Regelsystems mit T1 bis T3 exakt einstellen.

Die Vorteile der Strommeßschaltung

Die Geschwindigkeit, die mit dieser Schaltung erreicht werden kann, ist erstaunlich hoch. So ist das Einschwingverhalten bei einer Kapazität von 10 nF selbst für die kleinen Ströme schon nach weniger als 10 ms beendet. Mit 95%-iger Genauigkeit kann der Strom bereits nach weniger als 5 ms gemessen werden. Dabei wurde das Ausgangssignal für Ströme von 10 fA nach –10 fA gemessen (Bild 8). Bild 8. Einschwingverhalten des Strommeßsystems für zwei OPA 111 mit einer Kapazität von 10 nF bei einem Ausgangswiderstand von 100 Ohm. Ergänzend läßt sich eine Geschwindigkeitssteigerung durch einen zwischen Spannungsfolger und invertierendem Integrierer geschalteten Verstärker erreichen. Und es gibt noch einen entscheidenden Vorteil für diese Schaltung. Wird das System einmal für den kleinsten Strombereich kalibriert, wird der Nulldurchgang für alle größeren Bereiche eingehalten. Voraussetzung für die richtige Steigung ist dann ausschließlich die Genauigkeit der verwendeten Widerstände. Auch der Offset des Systems ist stabiler als bei anderen entsprechend empfindlichen Strommeßverfahren, da nur der Drift von zwei, anstelle von fünf oder mehr, Operationsverstärkern eingeht. Die extreme Empfindlichkeit für sehr kleine Ströme konnte selbstverständlich nur in einem faradayischen Käfig erreicht werden. Zudem wurden Batterien als Versorgungsspannung verwendet. Sogar im Attoamperebereich lag ein sehr gutes Signalrauschverhältnis vor. Dabei steht 1 Volt Ausgangssignal für 100 • 10-18 A, was etwa 624 Elektronen entspricht, die durch einen Leitungsquerschnitt wandern. Es ist denkbar, daß sich das Ausgangssignal noch weiter verstärken und filtern läßt, so daß es vielleicht möglich ist noch ein evtl. zwei Dekaden weiter runterzukommen. Das Meßverfahren funktioniert deshalb, da dieser äußerst geringe Strom mit einem empfindlichen Spannungsfolger erfaßt wird. Das Ursprungssignal ist von relativ starkem Rauschen durchsetzt. Dabei addiert der Integrierer das Rauschen zu eben jenem Signal, dessen Mittelwert die Spannung darstellt, die notwendig ist, um über einen Widerstand das Massepotential am Meßpunkt aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund ist es überhaupt erst möglich damit Ströme im Attoamperebereich zu messen, obwohl der Eingangsruhestrom der verwendeten Operationsverstärker im Femtoamperebereich liegt.

Literatur

* H. Wupper, Professionelle Schaltungen mit Operationsverstärkern, Franzis- Verlag 1994. * H. Wupper, U. Niemeyer, Elektronische Schaltungen 2, Operationsverstärker, Digitalschaltungen, Verbindungsleitungen, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 1996, 81. * Dennis E. Tallman, A wide bandwith computer based potentiostat for fast voltammentry at microelectrodes, J. Electroanal. Chem., 280 (1990), 327-340 Dr. rer. nat. Peter Schönweitz, in Rheine (NRW) geboren, studierte an der TU-München Chemie. Neben seiner selbständigen Tätigkeit gründete er nach seiner Promotion 1997 die Interessen-gemeinschaft für neue Elektrochemie. Das Team befaßt sich mit der Manipulation des Stroms an kleinsten Elektroden unter Verwendung eines elektrischen Feldes.

Gleichung 1


Bild 1. I/U-Wandler

Bild 2. Der Spannungsabfall an einem Lastwiderstand












 

Bild 3. Strommessungen mittels eines größeren Shunt mit Potentialnachführung





Gleichung 2


Bild 4. Modell zur Berücksichtigung der Eingangsströme eines Operationsverstärkers











Bild 5 zeigt eine Schematische Darstellung eines potentialdetektierenden Teils und eines invertierenden Reglers, der solange sein Potential ändert, bis der potentialdetektierenden Teil kein Signal mehr liefert.


Bild 6


Bild 7. Die vollständige Operationsverstärkerschaltung umfaßt zur Vermeidung sehr großer Widerstände noch einen oder zwei Spannungsteiler (ST1 und ST2). An dem nichtinvertierenden Eingang des Integrierers läßt sich der Gesamtoffset des Regelsystems mit T1 bis T3 exakt einstellen.


Bild 8. Einschwingverhalten des Strommeßsystems für zwei OPA 111 mit einer Kapazität von 10 nF bei einem Ausgangswiderstand von 100 Ohm.