Die Ströme an einer Elektrode

Sobald an zwei Elektroden in einem Elektrolyten eine Spannung gelegt wird, beginnt ein Strom zu fließen. Damit ein Strom gemessen werden kann, müssen Ladungsträger, Ionen oder Elektronen, einen Widerstand überwinden. Der maßgebliche Widerstand, der für den Strom an einer Elektrode limitierend ist, ist der Austritt bzw. der Eintritt eines Ions aus bzw. in die Doppelschicht zwischen der Elektrodenoberfläche und dem Elektrolyten [10,11].

Der Stromfluss hängt über den Widerstand nach dem Ohmschen Gesetz von der Spannung ab. Zusätzlich zu der Spannung, die von einer Spannungsquelle den Elektroden vorgelegt wird, bildet sich durch Reaktionen vom Elektrolyten mit dem Elektrodenmaterial eine galvanische Halbzelle aus. Diese zweite Spannungsquelle befindet sich in Reihe zum erzeugten Stromkreis. Ferner bilden Elektrodenoberfläche und Ionen eine Doppelschicht, die einem Kondensator mit variabler Kapazität gleichkommt. Wird nun noch die vorgelegte Spannung wie in der Cyclovoltammetrie gleichmäßig geändert, ergibt sich eine weitere Spannungsquelle, und zwar die eines Kondensators im Wechselfeld.

Zusammenfassend sind folgende drei Einflüsse für den Strom, der an einer Elektrode fließt, verantwortlich:

Redoxreaktionen an der Elektrode mit der damit verbundenen Überwindung des Widerstands zwischen der Elektrodenoberfläche und dem Elektrolyten, Ausbildung einer galvanischen Halbzelle an der Elektrodenoberfläche, deren Redoxpotential nur für den stromlosen Zustand bekannt ist und eine variable elektrische Kapazität, die von der Doppelschicht, respektive der Belegung der Elektrodenoberfläche durch den Elektrolyten, bestimmt wird.

Diese Einflüsse, die bisher immer kombiniert auftraten, erschwerten in der Elektrochemie das Verständnis für die Elektrodenreaktionen.

Mit der "Electric Field Coupled Electrode" - Methode gelang es erstmals zwei dieser störenden Einflüsse vollständig zu eliminieren. Damit sind jetzt ausschließlich die Redoxreaktionen, die an einer Elektrodenoberfläche stattfinden, messbar. Mit dem Verfahren ist die Basis geschaffen, um an einfachen Elektroden, wie Gold oder Platin, exakte elektrochemische Messungen zur Qualifizierung und Quantifizierung von Substanzen durchzuführen.



Die Feldlinienausrichtung an einer Mikrodiskelektrode

Für diese Anwendung bewährten sich Diskmikroelektroden mit einem Durchmesser von 10 µm, 1µm und 0,5µm. An ihnen konnte wegen der erhöhten Massentransportrate [4,12,13] an der Elektrodenoberfläche die Auswirkungen des elektrischen Feldes am besten beobachtet werden. (b)

Abbildung 9: Die Ausrichtung der elektrischen Feldlinien im Elektrolyten (a) und die des von einer Nadelspitze induzierten Feldes (b).

Die Abbildung 9 zeigt unter der Annahme, dass sich noch keine Doppelschicht auf der Elektrodenoberfläche ausgebildet hat, die Feldlinien an der Mikrodiskelektrode. Die Mitte der Arbeitselektrode weist Feldlinien auf, die annähernd parallel verlaufen. Am Rand der Elektrode richten sich die Feldlinien radial aus. Die Feldlinienausrichtung kann sowohl für das natürliche Feld (a) als auch für das induzierte elektrische Feld (b) an diesen Arbeitselektroden als parallel angenommen werden.

Durch die Kompensation parallel gerichteter Feldlinien werden Inhomogenitäten in Elektrodennähe ausgeschlossen.



Die maximal verwendbaren Feldstärken

Mit dem verwendeten Batterieblock kann ein statisches E-Feld mit einer maximalen Potentialdifferenz von ca. 350 V erzeugt werden. Die Verfügbarkeit von Hochvoltoperationsverstärkern begrenzt den maximalen Spannungsbereich für variable Feldstärken auf ± 45 V.

Bei einem Elektrodenabstand von 15 µm beträgt die maximal erreichbare Feldstärke damit nur 3•106 V/m. Die Dielektrizitätszahl vom Isolator, der bei allen Messungen aus Glimmer bestand, hat einen Wert von vier bis acht. Dieser Wert ist relativ gering und kann somit unberücksichtigt bleiben. Die Dielektrizitätszahl des wässerigen Elektrolyten liegt bei 80, kann aber unberücksichtigt bleiben, da sie sowohl für das natürliche als auch für das induzierte Feld gilt [15].



Stromverhalten bei einem statischem elektrischen Feld

Erfreuliche erste Ergebnisse zeigten die Messungen von Cyclovoltagrammen mit einem elektrischen Feld konstanter Feldstärke. Bei einer Feldstärke von 108V/m, also einem Zehntel der größtmöglich erwarteten Feldstärke in der Doppelschicht

[14], zeigte sich ein Einfluss auf den gemessenen Strom. Da die Arbeitselektrode gegenüber der E-Feldelektrode positiv geschaltet war, bewirkte das elektrische Feld einen um durchschnittlich 1,42 nA negativeren Strom. Dies könnte mit einer zunehmenden Kationenwanderung zur Arbeitselektrode begründetwerden. In der Konsequenz erhöht sich die Anzahl an Reduktionen und der Strom sinkt. Die Charakteristik des Cyclovoltagramms blieb trotz des starken Feldes von etwa 100 Megavolt pro Meter vollständig erhalten. Dies bestätigt die korrekte Funktionsweise der elektrischen Schaltung und Isolierung des Versuchsaufbaus.

Diese Voruntersuchungen belegen, dass auf den Strom an der Arbeitselektrode mittels eines elektrischen Feldes Einfluss genommen werden kann, ohne dabei die spezifischen Redoxreaktionen zu unterdrücken.



Schlussfolgerung aus der Messung mit statischer Feldstärke

Wenn also mittels eines statischen elektrischen Feldes auf den Strom Einfluss genommen werden kann, dann lässt sich der Strom auch mit einem variablen elektrischen Feld steuern. Wenn der Strom auf diese Weise konstant und sehr klein gehalten werden kann und die Redoxreaktionen aber dennoch ander Arbeitselektrode ablaufen, ohne dass sich eine Doppelschicht aufbaut - wie verhält sich dann die Feldstärke?

In einem Gedankenexperiment wird von einem kleinen anodischen Strom, der durch das elektrische Feld konstant gehalten wird, ausgegangen. Bei einem vorgelegtem Redoxpotential oxidieren z.B. zwei Reaktionspartner an der Arbeitselektrode. Eines könnte ein Kation sein, das an der Arbeitselektrode oxidiert und dann aus dem Einflussbereichs des elektrischen Feldes verdrängt wird. Ein anderer Reaktionspartner könnte wiederum ein Anion sein, das, vonArbeitselektrode angezogen, an ihr ebenfalls oxidiert wird (Abb. 10).

Abbildung 10: Schematische Darstellung der Reaktionen, die bei einem anodischen Strom möglich sind.

Dann wird das Redoxpotential kontinuierlich erhöht. Der Strom bleibt weiterhin durch das elektrische Feld über das Regelsystem konstant klein. In demBereich des Redoxpotentials, an der ein weiterer Reaktionspartner oxidiert wird, wird sich der Strom erhöhen, da für den Strom (Ionentransport) eine größere Anzahl von Ionen zur Verfügung steht. Für den angenommenen Fall, dass ein weiterer Reaktionspartner durch Oxidation hinzukommt, stehen anstelle von zuvor zwei dann drei Ionentypen für den Stromfluss zur Verfügung. Der Strom würde ansteigen, wenn nicht das E-Feld nachregelt. Diese Regelkurve wirdaufgezeichnet und gibt Aufschluss, ab welchem Redoxpotential ein Reaktionspartner hinzukommt.



Die Regelkurve des elektrischen Feldes für einen konstanten anodischen Strom

Mit dieser Messanordnung ist ein Redoxpotentialbereich von 400 – 1150 mV an der Arbeitselektrode durchgescant worden. Wie erwartet, ist eine stufenförmige E-Feld / Redoxpotential - Regelkurve entstanden, die reproduzierbar ist.

Redoxpotentialbereiche mit beinah gleichbleibendem elektrischen Feld bedeuten, dass die Anzahl der Reaktionssysteme konstant geblieben ist. An der Stelle eines sprunghaften Anstiegs der Feldstärke ist ein Redoxpotential erreicht worden, bei dem eine weitere Substanz im Elektrolyten oxidiert wird. Diese erhöht den Stromfluss an der Arbeitselektrode. Ihr Beitrag zum Strom wird von dem Meßsystem erfasst und von dem E-Feld über die Regelstrecke kompensiert. Obwohl ein Reaktionspartner bei dem Redoxpotential von z.B. 870 mV hinzugekommen ist, wird der Strom von dem elektrischen Feld weiter auf zehn Picoampere gehalten. Die Folge des hinzugekommenen Reaktionspartners ist also eine Änderung der Feldstärke.

Wird die Ableitung der Regelstrecke gebildet wird (Abb.8), ist jedem Peak respektive jedem Potential eine Substanz zu zuordnen.



Verbesserungen des bestehenden Meßsystems

Obwohl die Redoxpotentialbereiche im wässrigen Medium von –2,5 V bis +2,5 V gescant werden konnten, liegen zur Zeit keine auswertbaren Ergebnisse vor. Die Regelkurven, die mit dem Meßsystem aufgezeichnet wurden, hatten so geringe Signalstärken, dass über den gesamten Bereich keine Stufen erkennbarsind. Die Ableitung über den gesamten Bereich erbrachte lediglich ein Rauschen. Eine gleitende Mittelwertbildung nach dem Algorithmus von Savitzky und Golay [17] oder ein digitaler Tiefpassfilter mit Hilfe der schnellen Fouriertransformation (FFT), die auch in der Cyclovoltammetrie einen Einzug gehalten haben [18,19] würden sicherlich zu einer bedeutenden Verbesserung des Meßsystems beitragen. Es soll jedoch auch in Zukunft auf zusätzliche Rechenalgorhitmen verzichtet werden. Zielsetzung muss vielmehr sein, die Elektronik und den Messaufbau zu verbessern. Dadurch wird das Verfahren transparenter für die Anwender und es wird universell, vor allem aber schnell und preiswert, in vielen Bereichen der Analytik von Fluiden, Flüssigkeitenund Gasen, anwendbar sein.

Mit diesen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass sich der Strom, der an einer Elektrode fließt, nicht nur über das Redoxpotential steuern lässt. Wird der Strom vom elektrischen Feld geregelt:

*stellt sich ein besonderer Zustand an der Elektrode ein, der wahrscheinlich auf die Elimination der diffusen Doppelschicht zurückzuführen ist. *Es sind nur geringe Feldstärken nötig, resp. geringe Spannungen. *Die Regelkurve zeigt ein elektrolytspezifisches Verhalten. *Die Migration von Ionen lässt sich steuern.